Asha ist Kuratorin des Virtual Natural Museum – einem Museum, indem die Überbleibsel einer Vergangenheit ausgestellt werden, die Fruchtbarkeit verkörperte: z.B. Pflanzensamen-Kapseln oder ein verdorrtes Stück Ast des letzten lebenden Baumes. Das Museum ist Teil eines steril wirkenden, hochtechnologisierten und streng strukturierten Milieus, das vom unterkühlten Umgang der dort ansässigen autoritär organisierten Gesellschaft und dem harten Existenzkampf gegen den vorherrschenden Wassermangel geprägt ist. Die Menschen überleben in einer abgeschirmten Kapsel inmitten einer kargen, scheinbar unbelebten Wüstenlandschaft eines post-apokalyptischen Ost-Afrikas 35 Jahre nach dem Dritten Weltkrieg, dem Wasserkrieg. Obwohl dazu angehalten, ihre Träume zu unterdrücken („Take Your Dream Suppressants!“1), wird Asha von einem Traum heimgesucht. Darin sieht sie in der Ferne einen einzigen prunkvoll gediehenen Laubbaum.

Als Asha mithilfe sensorbasierter Digitaltechnologie eine Erdprobe ohne bestimmbaren Absender untersucht und über deren ungewöhnlich hohen Feuchtigkeitsgehalt sowie das Fehlen radioaktiver Belastung informiert wird, riecht sie verwundert an der Probe. Erneut sucht sie ein Traum heim. Die technologische Überwachungsinfrastruktur bemerkt Ashas Bewussteinszustand und mahnt sie, diesen zu unterdrücken. Doch Asha folgt dem, was sich als Vision andeutet – im Traum hatte sie wieder den gesunden, kräftigen Baum gesehen. Sie lässt den Rat [“council”, ebd.] technologisch übermittelt an ihren Traumbildern teilhaben, erhält allerdings keine Erlaubnis, die Kapsel zu verlassen, um den Bodenbereich zu finden, von dem die Probe stammt: „The outside is dead. […] Take your dream suppressants“ (ebd.), heißt es mahnend. Asha widersetzt sich und pflanzt schließlich einen archivierten Samen an den Ort, dem die besondere Erdprobe entstammt. Während die Frau unter der glühenden Sonne stirbt, wächst eine Pflanze aus dem Samen der Vergangenheit.

In dieser Zukunftserzählung ist es technologische Stabilität, die in Zeiten chronischer Wasserknappheit und erbarmungsloser Hitze die menschliche Existenz sichert. Auch spürt eben technologische Sensibilität einen Hauch von Leben in jener Erdprobe auf. Am Ende war es allerdings nicht zuletzt Ashas Intuition – im Film durch den Traum verkörpert, eine Zwischenzone aus innerer Achtsamkeit und äußerer Eingebung – die den Anstoß einer neuen, einer alternativen Zukunft ermöglichte. Diese träumerische Intuition stellt im Film eine deutliche Gegeninstanz zu einer Autorität dar, die sich selbst technologisch zum Ausdruck bringt. Die „Traumarchäologin“, wie Asha von Kathrin Köppert bezeichnet wird2, macht eine Welt zugänglich, die dem techno-organischen Gesellschaftsgefüge in der Kapsel nicht verfügbar war. Das Träumen selbst bildet ein Portal zum vormals (nicht mehr) Greifbaren. Wanuri Kahius Science-Fiction-Kurzfilm PUMZI (2009) könnte als eine Imagination der Verschränkung von Technologie und Intuition gelesen werden, die einen Hoffnungssamen in eine zerstörerische, „ökolonialisierte“3 Welt pflanzt. „Statt Zukunft als nur wenig zu Überraschungen neigende Ableitung von Gegenwart zu simulieren und zu kapitalisieren, entsteht eine alternative Zukunft, die auf Gegenerinnerungen beruht“, bewertet Köppert das Werk.4 Technologie verkörpert dabei eine Agentialität, deren Durchdringungskraft von jener des Träumens untergraben wird. Zwar hat die digitaltechnologische Infrastruktur maßgebliche Spürkräfte und kann (als chemische Technologie) Traumzustände unterdrücken und vermitteln. Dennoch scheint sich im Träumen eine Intuition Bahn zu brechen, die das techno-organische Entanglement der Zukunftsmenschen transzendiert.

Atsuko Chiba ist eine Teil der Hauptprotagonistin des Animes PAPRIKA5 (2006) von Satoshi Kon (basierend auf dem Original-Roman von Yasutaka Tsutsui aus dem Jahre 1996). Paprika ist der Name von Chibas Alter Ego, welches den zweiten Teil der Hauptprotagonistin dieser Geschichte darstellt. Als Paprika wandelt Chiba mithilfe eines unter anderem von ihr entwickelten Gerätes, dem DC Mini, durch Traumwelten – eigentlich, um als Psychotherapeutin in den weniger als bewussten Kosmen ihrer Patient*innen speziellen Zugang und Zugriff zu erlangen. Ein noch unfertiger Prototyp gerät in die Hände eines sogenannten Dream Terrorist, der fortan über das Unbewusste seiner Opfer verfügt und diese zu manipulieren beginnt. Die Großstadt ist daraufhin zunehmend bevölkert von skurrilen Fantasie-Gestalten der verborgenen Vorstellungswelten jener Manipulierten: Traumwelten und Realität überlappen sich. Doch Paprika gelingt es schließlich, die Ordnung wieder herzustellen.

Auch PAPRIKA formt den Eindruck von Intuition, die durch die liminale Zone des Träumens leitet, um in einen Bereich vorzudringen, der zuvor nicht in dieser Art verfügbar war. Wo das Träumen in PUMZI unterdrückt werden soll, sich aber dennoch Bahn bricht, scheint die überbordende Traumwelt in PAPRIKA das ‘Hier‘ fast zu verschlucken. „By exploring the theme of technology in Paprika and other Satoshi Kon films a clear message can be seen. Reality and dreams have similar natures, and our perceptions of them can be changed by technology. Paprika is optimistic about technology, but cautions us to use it responsibly so as not to damage our lives.“6

Technologie operiert in PAPRIKA mit an der Verfügbarmachung jener Bereiche, zu welchen zu guter Letzt nur das Träumen überführt. Die Figur des Träumens nimmt hierbei Bezug auf einen nicht ausschließlich rationalen, schwer kontrollierbaren Zustand des Übergangs, der Verbindung und Vermittlung, aber auch auf die Bedeutung des Traumes als Wunschvorstellung. Entfalten diese anvisierten Bereiche dann ihre Kraft (die wieder aktivierte Lebendigkeit der sprichwörtlich vergangenen Natur in PUMZI, die schrille Farbenfreude oder verschwörerische Bedrohung unbewusster Erinnerungswelten und Sehnsüchte in PAPRIKA), kann technologische Infrastruktur allein kein Gegengewicht mehr bilden. Beide Fiktionen wollen, so mein Vorschlag an dieser Stelle, auf die Idee eine tieferliegende Ebene der Erinnerungsarbeit verweisen, die sich mit Technologie verzahnt, ihr aber immer auch ein Stück weit entzogen bleibt.

1 Wanuri Kahiu: PUMZI, 2009, URL.

2 Katrin Köppert: PUMZI. Kat Köppert über eine filmische Gegenerinnerung der ökolonialen Gegenwart, in: Gender-Blog der Zeitschrift für Medienwissenschaft (23.08.2018), URL.

3 Naomie Gramlich: Mediengeologisches Sorgen. Mit Otobong Nkanga gegen Ökolonialität, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft, Jg. 13, Heft 24 (1/2021): Medien der Sorge, 65-76. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/15776.

4 Katrin Köppert: PUMZI. Kat Köppert über eine filmische Gegenerinnerung der ökolonialen Gegenwart, in: Gender-Blog der Zeitschrift für Medienwissenschaft (23.08.2018), URL.

5 Satoshi Kon: Paprika, 2006, URL.

6 O.A.: Anime: Paprika — Fictional Dream Technology: Dream Sharing, o.A., URL.